Das Objektiv an einer alten Mittelformatkamera

Der Zentralverschluss 

Fotografieren mit dem Zentralverschluss

Dem Zentralverschluss haftet eine gewisse Aura des schwer Beherrschbaren an, obwohl man z.B. keine Blitzsynchronzeit beachten muß. Das hängt damit zusammen, dass die für manche eh schon schwer genug ermittelbare korrekte Zeit-/Blendenpaarung (der sogenannte Lichtwert) auch noch um einen variablen Wert korrigiert werden muss, und zwar in Abhängigkeit des ermittelten Lichtwertes.

Die Lamellen des Zentralverschlusses bewegen sich beim Öffnen nach außen hin weg

Die Lamellen des Zentralverschlusses sind hier deutlich zu erkennen. Beim Öffnen des Verschlusses bewegen sie sich nach außen hin weg und geben so den Strahlengang frei.

Der optimale Verschluss

Der optimale Verschluss würde das Negativ bzw. den Bildsensor schlagartig freigeben und mit der Belichtung beginnen und ebenso schlagartig wieder schließen und die Belichtung beenden. Da jedoch bewegliche Teile im Spiel sind, die sich erst einmal aus dem Strahlengang bewegen müssen, dauert es eine Weile, wenn auch nur für den Bruchteil eines Sekundenbruchteils, bis die volle Verschlussöffnung erreicht ist und die der Blende entsprechende Lichtstärke wirken kann.

Der Schlitzverschluss umgeht das Problem

Schlitzverschlüsse  umgehen dieses Problem, indem sie das Foto nicht in einem Zuge belichten, sondern nach und nach. Denn solche Verschlüssen belichten das Negativ bzw. der Sensor nicht in einem Zuge, sondern dessen Teile nacheinander. Der Schlitzverschluss läuft nämlich über das Negativ und belichtet seine Teile nacheinander, dafür jedoch mit exakt der gleichen Dauer. Die Belichtung der letzten Bildteile beginnt erst dann, nachdem die der ersten Teile bereits abgeschlossen ist.

Hier sind bei Wikipedia die Abläufe beim Schlitzverschluss illustriert.

Nachteile beim Blitzen

Der Nachteil dieses Verfahrens ist, das nicht mit jeder Verschlusszeit geblitzt werden kann, sondern nur mit der sogenannten Blitzsynchronzeit. Die Blitzsynchronzeit ist die Verschlusszeit, bei der der Verschluss komplett geöffnet ist, so dass der nun auslösende Blitz, der ja noch viel kürzer ist, als die Blitzsynchrozeit, das gesamt Bild gleichzeitig belichten kann. Das ist bei Zentralverschlüssen anders. Bei ihnen  öffnet sich der Verschluss in der Mitte, die Öffnung wird nach und nach größer, bis die volle Verschlussöffnung erreicht ist und wird zum Ende der Belichtung wieder kleiner, bis der Verschluss wieder verschlossen ist. Daher ist es möglich, dass der Fotograf mit jeder Verschlusszeit blitzen kann. Aus Sicht des Negativs bzw. des Bildsensors dimmt das Licht bei einem Zentralverschluss auf und wieder ab.

Dimmphase der Zentralverschlüsse

Aber auch dieses Verfahren hat einen Nachteil. Nämlich diese „Dimmphasen“ während des Öffnen und des Schließens des Zentralverschlusses.

Bei Wikipedia sind die technischen Abläufe bei Zentralverschlüssen illustriert.

Angenommen, du hättest als korrekte Belichtungszeit mit dem Belichtungsmesser 1/125 Sekunde gemessen. Ab wann sollte diese 1/125 Sekunde gelten? Bereits ab dann, sobald der Verschluss sich zu öffnen und das Licht zu dimmen beginnt? Oder erst ab dem Zeitpunkt der vollen Öffnung des Verschlusses? Oder lieber irgendwo dazwischen?

Zentralverschluss
Die Lamellen des Zentralverschlusses sind hier zu erkennen. Sie bewegen sich beim Auslösen nach außen und geben den Strahlengang von der Mitte nach außen frei.

3 Phasen des Zentralverschlusses

Volloffenphase

Um den Zentralverschluss besser zu verstehen, müssen wir uns an dieser Stelle seine Funktionsweise genauer anschauen. Wie bereits erwähnt, gibt es eine Öffnungsphase, eine Volloffenphase und eine Schließphase, also drei Phasen. Nur während der Volloffenphase gelangt Licht in einer der Blendenöffnung entsprechenden Stärke auf den Sensor oder das Negativ. Die ermittelte Belichtungszeit setzt aber eine Belichtung mit dieser Lichtstärke während der gesamten Zeit voraus, keine auf- und abdimmende Belichtung!

Öffnungs- und Schließphase

Bei einem Zentralverschluss verändert sich während der gesamten Belichtungsdauer die Lichtstärke zwei Mal. Vergessen wir an dieser Stelle ruhig mal die realistischen Öffnungsgeschwindigkeiten aktueller Kameras und stellen uns vor, die Öffnungsphase betrage 1 Sekunde, die Volloffenphase 10 Sekunden und die Schließphase wiederum 1 Sekunde. Die reale Gesamtbelichtungsdauer wären in diesem Fall 12 Sekunden, von denen aber nur 10 Sekunden lang konstante Lichtstärke herrscht. 2 Sekunden lang variiert sie. Die bildwirksame (nominale) Gesamtlichtmenge, die sowohl während der Öffnungs- als auch während der Schließphase auf den Sensor gelangt, entspricht jeweils der Hälfte jener Menge, die bei einer Volloffenphase gleicher Länge entstünde. Hieraus ergibt sich, dass die bildwirksame nominale Belichtungszeit „nur“ 11 Sekunden beträgt, nämlich bestehend aus den 10 Sekunden Volloffenphase und jeweils rechnerisch eine halbe Sekunde aus den beiden variablen Phasen.

Oder anders ausgedrückt: Die bildwirksame Gesamtbelichtungszeit ergibt sich aus der Dauer der Volloffenphase plus der Hälfte der Dauer der variablen Phasen.

Kehren wir nun wieder zu den realen Verschlussgeschwindigkeiten zurück: Bei einem Zentralverschluss ist die reale Öffnungsdauer des Verschlusses immer einen klitzekleinen Wimpernschlag länger, als die nominale Belichtungsdauer von z.B. 1/125 Sekunden, um die gegen Anfang und Ende variierende Lichtstärke zu kompensieren.

Diese Erkenntnis alleine erklärt jedoch noch nicht die erforderliche Korrektur. Warum ist sie dennoch erforderlich?

Korrektur abhängig von verwendeter Arbeitsblende

Zentralverschlüsse wurden schon verwendet, als es noch keinerlei Software in Kameras gab. Sie funktionierten rein mechanisch wie ein Uhrwerk. Das bedeutet, dass ein Verschluss zwar so justiert werden konnte, dass die reale Belichtungszeit etwas länger ist als die nominale, dafür aber auch bei jeder Verschlusszeit gleichbleibend, unabhängig von der tatsächlich eingestellten Blende. Das heisst, dass der Verschluss auf die Verwendung bei voll geöffneter Blende justiert ist. Denn ein Zentralverschluss öffnet sich immer voll, unabhängig von der verwendeten Blende.

Das hat aber wiederum zur Folge, dass bei einer geschlossenen Blende, wie zum Beispiel bei Blende 16, die bildwirksame Volloffenphase des Verschlusses viel früher erreicht ist, als bei Offenblende, auch wenn der Verschluss aus mechanischer Sicht noch nicht komplett geöffnet ist, sondern noch in Bewegung. Ebenso setzt beim Schließen des Verschlusses das Abdimmen des Lichtes erst später ein, nämlich dann, wenn der Verschluss wieder so weit geschlossen ist, wie der Blendendurchmesser. Hierdurch verlängert sich aber die lichtwirksame Volloffenphase, so dass die Justierung des Verschlusses, welche auf Offenblende abgestimmt ist, nicht mehr stimmt. Das heisst, das Bild wird insgesamt zu lange belichtet, es wird zu hell und flau. Um dem entgegenzuwirken, muss die Lichtmenge mittels der Blende etwas weiter verringert werden, als es die Lichtmessung ergibt.

Doch um welchen Betrag? Dies hängt von drei Faktoren ab:

  • dem Blendewert bei Offenblende,
  • der tatsächlichen Verschlusszeit und
  • der tatsächlichen Blende.

Der maximale Korrekturwert soll generell bei einer Blende liegen.

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