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Viele Fotografen glauben, das Zonensystem nach Ansel Adams ginge (nur) bis zur Zone X. Dass das nicht richtig ist, habe ich schon geschrieben. Den Beweis bin ich noch schuldig geblieben. Hier ist er nun. Meine Reise in die Zone 15 mit dem Negativfilm.
Ich nahm einen Ilford HP5+ mit 400 ASA und gönnte ihm Licht. Sogar jede Menge Licht. Manche würden sagen, viel zu viel, hoffnungslos überbelichtet! Doch das ist er nicht! Keineswegs! Und ich habe ihn auch normal entwickelt, keinesfalls gepullt, wie manche vielleicht mutmaßen mögen. Doch der Reihe nach.
Ein belichtetes Negativ zeigt die Lichter dunkel, die Schatten hell. Bildbereiche, welche mehr Licht abbekommen haben, bilden höhere Dichten aus als andere, die weniger Licht erhielten. Im Umkehrprozess unter dem Vergrößerer halten die dichteren Bereiche mehr Licht des Vergrößerers zurück, so dass es im Abzug dort (wieder) heller wird. Oder präziser ausgedrückt: „heller bleibt“, denn das Papier ist ja nun mal hell, und Bereiche, die beim Vergrößern weniger Licht erhalten, dunkeln weniger ab also solche, die mehr Licht erhielten. Wie hell bzw. wie dunkel es dort wird, ist aber nicht nur davon abhängig, wie hoch die Dichten der Negative an jenen Stellen dort sind, sondern auch davon, wie lange das Licht durch das Negativ auf den Papierabzug einwirkt. Denn auch auf dem Papierabzug, dem Positiv, bilden sich die Dichten nach dem gleichen Prinzip aus, wie im Negativ. Umso länger die Belichtung erfolgt, umso weiter verschieben sich die Töne in Richtung schwarz, also in die niedrigen Zonenwerte. Der Gesamteindruck eines Bildes hängt also nicht nur von der Belichtungsdauer des Negativs, sondern auch der des Positivs ab.
Nun zum Testbild:
Es handelt sich um einen 400 ASA-Film, einen HP5. Meiner Einmessung zufolge liegt seine tatsächliche Empfindlichkeit bei ungefähr 250 ASA. Das ist der Wert, mit dem ich diesen Film grundsätzlich belichte.
Ich hatte gelesen, dass bis hinein in Zone 15 oder gar 16 noch Tonwertunterschiede im Negativ zu erkennen seien. Ich wollte nun selbst testen, wieviel Licht so ein Film eigentlich verträgt. Da ich keine Vorstellung davon hatte, wie dicht derart reichlich belichtete Negative wohl werden könnten, nahm ich mir vor, es mit dem Versuch nicht zu übertreiben. Denn schließlich sollte später unter dem Vergrößerer zumindest noch so viel Licht durch das Negativ auf den Abzug fallen können, dass ich mithilfe der Kornlupe scharf stellen und den Abzug vernünftig ausrichten könnte. Und dafür ist es nun einmal nötig, dass die Dichteunterschiede auf dem unter dem Vergrößerer liegenden Abzug noch für das menschliche Auge sicht- und damit wahrnehmbar bleiben. Bei zu hoher globaler Dichte käme nämlich nur noch eine kleine, für das menschliche Auge nicht mehr wahrnehmbare Lichtmenge aufs Papier. Diese würde sicherlich reichen, um bei ausreichend langer Belichtung einen ordentlichen Print entstehen zu lassen. Aber was würde dies nützen, wenn man Schärfe und Bildausschnitt nicht kontrollieren könnte?
Ich ging bei der Belichtung nun wie folgt vor:
An den harten Schatten der Szene, es handelt sich dabei übrigens um die Landungsbrücken in Hamburg mit süd-westlicher Blickrichtung zur Schiffswerft Blohm & Voss, erkennt man, dass strahlender Sonnenschein herrschte. Es war vormittags. Für diese Szene wäre laut Sunny-16-Regel Blende 16 bei 1/400 sec. eine gültige Blenden-/Verschlusszeitkombination, da es sie um einen 400-ASA-Film handelt und Blende-16-Beleuchtung (strahlender Sonnenschein) gegeben ist. An die Skeptiker der Sunny-16-Regel: Ich habe mir das Belichtungsergebnis natürlich unabhängig davon vom Belichtungsmesser bestätigen lassen, schließlich wollte ich sicher sein, dass ich die hohen Zonen erreichen würde.
Da ich für meine Verhältnisse jedoch von einer tatsächlichen Empfindlichkeit von 250 ASA ausgehe, wäre Blende 16 bei 1/250 sec. meine favorisierte Wahl. Bevor manche jetzt mit den Augen rollen: Ich weiß, ich müsste nicht mit Blende 16 fotografieren! Wenn ich wollte, könnte ich auch mit f/8 bei 1/1000 sec. arbeiten, oder f/5.6 bei 1/2000. Die besagte Regel liefert aber eine gültige Belichtunskombination, die man nach belieben abändern kann.
Tatsächlich belichtete ich das Negativ nun mit Blende 5.6 und 1/60 sec. Ausgehend von 250 ASA ist das eine Mehrbelichtung von ganzen 5 Zonen (von f/16 nach f/5.6 sind es 3 Stufen und von 1/250 auf 1/60 zusätzlich 2 Stufen). Ausgehend von der angegebenen Empfindlichkeit von 400 ASA sogar 6 Stufen!
Das weiße Schiffsheck repräsentiert (im fertigen Abzug) die Zone 9 bis 10, die hellen Schriftzüge am Heck ungefähr Zone 7 bis 8. Das bedeutet, da das Negativ ja um 5 Stufen „überbelichtet“ wurde, dass das Schiffsheck im Negativ die Zone 14 bis 15 (ausgehend von der angegebenen Filmempfindlichkeit sogar Zone 15 bis 16) erreicht hatte. Trotzdem ist noch Zeichnung, also Dichteunterschiede im Negativ, vorhanden! Das Bild ist übrigens nicht das Resultat eines abfotografierten Negativs, sondern eines eingescannten Abzuges, welcher 36 Sekunden lang Licht unter dem Vergrößerer erhielt.
Die Entwicklung des Negativs erfolgte übrigens als Normalentwicklung (Rodinal 1+25/20 Grad/6 Minuten, ständiges Kippen die erste Minute, danach 10 Sekunden lang jede volle Minute). Ich wollte den Kontrastunterschied so erhalten, wie er war, um das Ergebnis besser einordnen zu können. Bei strahlendem Sonnenschein, so wie er nun einmal gegeben war, wäre vielleicht eine N-1 Entwicklung, also eine Pullentwicklung um eine Stufe, die bessere Wahl gewesen, um den Kontrast etwas abzusenken, aber dass wollte ich nun mal bewusst nicht haben.
Mein Fazit des Versuchs: Eigentlich lässt sich selbst bei einem 400er Negativfilm im hellen Sonnenschein nichts im Sinne einer Fehlbelichtung überbelichten. Man müsste sich schon gehörig anstrengen, denn ein Mehr an Belichtung des Negativs lässt sich durch ein Mehr an Belichtung des Positivs effektiv ausgleichen. Eine noch stärkere Belichtung des Negativs würde aber wohl dazu führen, dass es beim Vergrößern insgesamt zu dunkel auf dem Fotopapier bliebe, so das sich der Abzug nicht mehr kontrollieren ließe. Denn die Kontrolle fiel mir bei dem Bild schon schwer genug, auch wenn sie auf Anhieb klappte.