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War ich nun da? Oder doch nicht?
Wie ich im Artikel „So war das aber nicht…“ bereits geschrieben habe, haben viele Leute die Erwartung, dass eine Fotografie nichts außer die Realität abbilde. Sie übersehen meines Erachtens: Das geht gar nicht!
Jede Fotografie ist Illusion, wirklich jede. Sie ist schließlich kein Aquarium, in dem ein kleiner Teil (natürlicher) Realität in einem abgegrenzten Raum stattfindet. Sie ist ein mit Linien, Formen und Farben bedrucktes Papier, wobei diese vorzugsweise derart geschickt aufs Papier gebracht wurden (sicherlich auch eine Art von Realität), dass der Glaube an Ihren Inhalt für manche unumstößlich ist. Aber das ist ein Irrtum. Sie funktioniert wie Malerei, welche in dem Sinne auch keine Realität zeigt. Nicht ohne Grund heisst es schließlich auch Fotografie, übersetzt also „zeichnen mit Licht“.
Composings – zusammengesetzte Realitäten
Ich habe meine ersten Plato-Portraits fertiggestellt. So nenne ich Portraitaufnahmen, bei denen das eigentliche Portrait und die Umgebung bzw. der Hintergrund in unterschiedlichen Aufnahmen und in alle Regel auch an unterschiedlichen Tagen erstellt wurden. Der Begriff „Platography“ für Composings stammt meines Wissens von Joel Grimes, einem amerikanischen Fotografen und Influencer, der Portraits auf gleiche Weise zusammenstellt.
Hier ist mein Zweites (das Erste bleibt in der Schublade, da ich dessen Hintergrund nicht selbst fotografiert habe, worauf ich aber höchsten Wert lege):
Foto der Kathedrale
Das Hintergrundfoto entstand im Februar 2018 in der Kathedrale von Segovia. In Segovia lag Schnee, wie auf dem Simst des Bogengewölbes zu sehen ist. Ich schoß es damals mit meinem iPhone.
Die Originalaufnahme sieht so aus:
Für das Composit spiegelte ich es, damit es sich besser mit der Portraitaufnahme zusammenfügen ließ. Ansonsten hätte ich das Portrait spiegeln müssen, was ich jedoch bei Portraits nicht mache. Schließlich kommt es bei ihnen nun wirklich auf Authentizität an, sonst wäre es im Ergebnis nun mal kein Portrait.
Die Portraitaufnahme
Das Portrait entstand gestern mit Selbstauslöser in meinem Wohnzimmer:
Ich war man gar nicht da!
Das wird der ein oder die andere nun sicher einwenden wollen. Aber stimmt das? Und wo soll ich nicht „da“ gewesen sein? Und überhaupt: Ist das wichtig? Ich schieße schließlich keine Bilder, um zu beweisen, wo ich war.
Fakt ist: Ich war in Segovia, sogar schon mehrmals. Die Hintergrundaufnahme fertigte ich schließlich mit meinem Handy, als ich da war. Ich stand zu dem Zeitpunkt nur nicht so rum wie im Bild, als ich da war.
Aber da war ich. Gut, mein Sweatshirt aus der Aufnahme war nicht da, ich trug was anderes.
Aber ich war wieder da, als die Aufnahme in meinem Wohnzimmer entstand. Also da im Wohnzimmer war ich da.
Aus beiden Aufnahmen entstand dann – schwuppdiwupp – mein erstes „offizielles“ Plato-Portrait (also am 23.10. entstand es, die Veröffentlichung erfolgt jetzt).
Muss ich nun ein schlechtes Gewissen haben?
Ein Gedanke zu „Ich war da aber gar nicht…“