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Entfesseltes Blitzen – Es bedarf keiner teuren Lichtanlage, um ansprechende Fotos oder gar Portraits zu schießen. Ein einzelnes, billiges Speedlight vom Gebrauchtmarkt, sagen wir für 30,- Euro mitsamt einer Funkauslösung für weitere 30,- Euro, genügt. Richtig eingesetzt, vollbringt es wahre Wunder. Ein immer wieder gern gemachter Fehler ist es, den Blitz, sei er auch noch so teuer, so einzusetzen, wie es in den Bedienungsanleitungen beigebracht wird: Auf das Kameragehäuse gesteckt und dann frontal auf’s Motiv gezielt. Damit ist der bekannte Blitzlook garantiert, rote Augen womöglich inklusive.
Abhilfe schaffen bereits kleine Hilfsmittel oder Korrekturen. Der Trick ist: Nicht direkt blitzen, sondern mit Bedacht das Licht setzen. Also entfesseltes Blitzen! Das gibt nicht nur schönere Fotos, sondern ist obendrein auch preiswert!
Alles was dazu erforderlich ist, ist ein schwenkbarer Blitzkopf. Oder noch besser: Ein entfesselter Blitz, der mit Funkauslöser gezündet und auf einem kleinen Ständer geschickt platziert wird. Auf diese Weise kann man Lichtquellen schaffen, die wirkungsvoller als manche Softboxen sind!
Zur Erinnerung: Die Größe einer Lichtquelle bestimmt die Lichtqualität, nicht das Blitzgerät an sich, egal wie teuer es ist. Dieses ist aber nun mal nur sehr klein, liefert also hartes, gerichtetes Licht. Vom Blitzgerät breitet es sich jedoch trichterförmig aus. Richtet man den Blitz nun zum Beispiel auf eine Wand, wird die angestrahlte Wand zur neuen Lichtquelle, während der Blitz zum Ursprung des Lichtes „degradiert“ wird. Die Wand reflektiert das Licht auf einer viel größeren Fläche, so dass wir nun eine viel größere Lichtquelle haben, als es der Blitz je sein könnte. Es entsteht weiches, natürlich wirkendes Licht!
Die Kunst ist es, eine solche Wand oder vielmehr eine Stelle in der Wand zu finden, die das Licht aus der gewünschten Richtung liefert. Diese wird dann mit dem Blitz angezielt. Das ist alles. Sie muss nicht unbedingt weiß oder grau sein, jede Farbe funktioniert. Der daraus resultierenden Farbstich lässt sich nämlich mühelos im Bildbearbeitungsprogramm beheben. Sofern der Reflektor (also die angeblitzte Wand) allerdings nicht weiß ist, muss man eine Abnahme des Reflektionsvermögens in Kauf nehmen, was bedeutet, entweder den Blitz auf höhere Leistung zu stellen, oder die Filmempfindlichkeit hoch zu drehen (sofern man nicht an Blende oder Verschlusszeit fummeln möchte). Von daher ist ein Blitz mit höheren Leitzahlen sicherlich von Vorteil, sobald man das indirekte Blitzen betreiben möchte. Solche findet man gebraucht aber auch schon für 30 oder 50 Euro, sogar von Nikon! Im Bild links steht mein Nikon SB 28, ein Blitz für analoge Spiegelreflexkameras (wenn er denn unbedingt auf ein Kameragehäuse geschoben werden soll), auf einem Standfuß mit montiertem Funkempfänger Yongnou RF603N II auf dem Tisch (roter Pfeil). Der Blitzkopf ist so ausgerichtet, dass das Licht an die rechte Wand und von dort auf das Model reflektiert wird. Model, Blitz und „Lichtaufschlagpunkt“ an der Wand liegen auf einer Linie, so dass bei dieser Anordnung Seitenlicht produziert wird. Manche mögen beim Betrachten der Lichtsituation etwas irritiert sein, aber: Beim Erstellen des Übersichtsfotos, welches die Anordnung zeigt, hat nicht der entfesselte Blitz das Licht geliefert, sondern, der kamerainterne Blitz. Da ich ihn hockklappen musste, nahm ich vorher den Yongnuo-Sender vom Gehäuse ab (grüner Pfeil). Schon deshalb konnte der SB 28 nicht auslösen.
Hier sieht man das Ergebnis mit dem durch entfesseltes Blitzes produzierten Seitenlicht, verglichen mit einer Aufnahme ohne irgendeine zusätzliche Lichtquelle.
Ich habe mittlerweile diverse Speedlights fürs entfesseltes Blitzen, teilweise für nur 30,- Euro auf dem Flohmarkt gekauft. Damit kommt man sehr weit! Weiter, als mancher Technikfreak glauben mag: Man kommt nicht nur sehr weit, sondern direkt ans Ziel! Der Trick ist nämlich: Entfesseltes Blitzen, also der Einsatz eines Blitzes, der nicht mit der Kamera verbunden ist! Und dass ist ja genau dass, was wir wollen, um schönes Licht zu setzen!
Jeder Verkäufer in einem Fotofachgeschäft wird völlig zu Recht darauf hinweisen, dass ein für analoge Kameras konzipiertes Blitzgerät nicht auf eine Digitalkamera gesteckt werden darf. Denn sie arbeiten mit unterschiedlichen Spannungen, so dass ein alter Blitz auf einer neuen digitalen Kamera diese neue Kamera wahrscheinlich zerstört (ich habe es zwar nicht ausprobiert, aber ich glaube es)!
Was er aber nicht verraten wird: Entfesseltes Blitzen, und das ist nun mal die Blitzart, die und zu schöneren Fotos verhilft, hat mit dieser Weisheit nichts zu tun! Da gilt das nicht! Ich setze mein altes Nikon SB 28 Blitzgerät niemals auf meine Nikon D5000, auf meine D750 erst Recht nicht! Dafür sind mir beide Gehäuse viel zu Schade. Was ich aber mache ist, dass ich das SB 28 auf einen meiner Yongnuo-Funksender stecke, einen weiteren Yongnuo-Sender auf meine D750 schiebe und mittels Funksignal den alten SB 28 auslöse! Denn der Billig-Hardware von Yongnuo scheint die unterschiedliche Spannung völlig egal zu sein. Und falls nicht: Für zwei Geräte, die man nun mal zwingend benötigt, zahlt man rund 30,- Euro! Ein Defekt einer oder sogar beider Geräte ließe sich also verschmerzen.
Auf diese Weise setzte ich mir billiges Licht für (fast) jedes Motiv!